«Jeder vierte Erwerbstätige hat Stress und jeder zweite Erwerbstätige lebt im sensiblen Bereich», sagte die Psychologin Pia Lang am Montagabend vor einem grossen Publikum in der Psychiatrischen Klinik.


Für mehr Lebenszufriedenheit

Gemäss Job-Stress-Index 2016 koste Stress bei Erwerbstätigen jährlich 5,7 Millionen Franken. Grund genug, sich mit Stress auseinander zu setzen, die Aktualität der Thematik zeigte sich auch im grossen Publikumsaufmarsch.

Anhaltender starker Stress und immerwährende negative Gefühle reduzieren die Lebenszufriedenheit. Auch erhöhen sie die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Psyche oder unser Körper Schaden nimmt.

Langfristiger Stress macht krank

Stress ist natürlich und habe unseren Vorfahren ermöglich zu überleben, ist Pia Lang überzeugt. In einer Gefahrensituation initiiere die Amygdale, ein Bereich im Gehirn, die Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol. Im Körper komme es zu massiven Veränderungen, der Herzschlag werde erhöht, der Atem werde schneller und flacher und die Muskeln werden angespannt. Diese Alarmreaktionen dienen der Vorbereitung, damit der Körper bereit ist zum Kämpfen, Flüchten oder erstarren, erklärte die Psychologin bildlich.

Weitere natürliche, ebenfalls aus der Urzeit stammende Auswirkungen von Stress sind Gefühle wie Angst oder Ärger. Diese körperlichen und emotionalen Reaktionen auf Stressauslöser seinen per se nicht langfristig und lebensbedrohlich. Kurzfristiger Stress und Emotionen seien gesundheitlich bei Menschen ohne organische Schäden unbedenklich. Hingegen kann langanhaltender Stress Depressionen oder Burnout auslösen. Langfristige Folgen von Stress erkenne man auch bei Kopfschmerzen, Tinnitus, psychischen Problemen, verspannten Muskeln, Magen-Darm-Problemen, Bluthochdruck, Rückenschmerzen und vielem mehr.

Gefühle akzeptieren

Damit wir mit andauerndem Stress und negativen Gefühlen umgehen können, seien wir selber gefordert, erläuterte die Referentin. «Der eigentliche Feind sind wir selber.» Übersteigerte Erwartungen an uns, fehlende Selbstakzeptanz und ein liebloser Umgang mit den eigenen Schwächen und Fehlern verstärken die Stressfaktoren und führen in Teufelskreise. Mit Tipps aus Matthias Berkingers Buch «Training emotionaler Kompetenzen» erklärte Pia Lang wirkungsvolle Strategien, den Stress stressfrei zu bewältigen.

Positives Denken allein nütze nichts, sondern erhöhe nur den Druck, erklärte Pia Lang weiter. Sie rät, eine neutrale Beobachterposition einzunehmen und die Fakten und die diffusen Gefühle zu benennen, ohne sie zu bewerten. Das helfe, den Verstand einzuschalten. Die Schlüsselkompetenz hingegen sei das Akzeptieren von Gefühlen: «Damit haben sie den ersten Schritt zur Veränderung getan. » Sie rät auch zur Selbstunterstützung: ein innerlicher, liebevoller Umgang mit uns selber bewirke Wunder. Perfektionismus und Kontrollzwang kann mit Gelassenheit begegnet werden.

«Vergessen sie alte Geschichten in ihrer Biografie, loben sie sich täglich selber und akzeptieren sie Sachen, die sie nicht ändern können», erklärte die Referentin, bevor sie sich zu Fragen aus dem Publikum äusserte.