Die Gemeinde Niederbüren kann mit dem Erwerb des Museumsgrundstücks und des Gebäudes in den Besitz eines kulturell bedeutenden Zeitzeugen der Textilgeschichte kommen. Nachdem in Niederbüren gegen dieses Vorhaben das Referendum ergriffen wurde, stimmt die Bürgerschaft am 25. November an der Urne über den Kauf der Liegenschaft ab. Mit einem Tag der offenen Tür ermöglichte nun der Verein der Bevölkerung, sich ein Bild über den guten Zustand der Gebäulichkeiten und den unschätzbaren Wert des umfassenden Ausstellungsgutes zu machen. Zahlreiche Besucherinnen und Besucher aus der Gemeinde und der Region nutzten denn auch die Gelegenheit.
Gut organisierter Besuchstag
Das schöne Spätsommerwetter mit angenehmen Temperaturen begünstigte den Anlass. So konnte der organisierende Vereinsvorstand die kleine Festwirtschaft im Freien auf dem Vorplatz einrichten. Helferinnen und Helfer boten Getränke, Kaffee und Kuchen sowie am Mittag heisse Wienerli an. Damit konnten die Besuchenden, darunter auch viele Frauen, Kontakte pflegen und sich über die Erfahrungen vom Rundgang durch das Textilmuseum austauschen. Die Führungen übernahmen der Gründer und bisherige Kurator Gottlob Lutz, sein Mitarbeiter Franz Kettel sowie einige technisch versierte Mitglieder. Selbst die Gattin Bärbel von Gottlob Lutz und ihre Tochter Andrea beteiligten sich in der Organisation. Die Führer informierten die Interessierten über die Textilgeschichte und die authentischen Ausstellungsobjekte, die auf drei Stockwerken sehenswert ausgestellt sind. Weil praktisch alle Maschinen und Geräte noch funktionsfähig sind, wurden einige von ihnen kurz in Betrieb gesetzt.
Wertvolle Zeitzeugen
Alle Besuchenden äusserten sich beeindruckt von der Vielfalt des historisch wertvollen Museumsgutes, das einen vertieften Einblick in das Fabrikleben und in die Industrie- und Sozialgeschichte des 19./20. Jahrhunderts ermöglicht. Die Objekte reichen von den ursprünglichen Geräten der Heimindustrie bis zu weiter entwickelten Web-, Stick- und Spinnmaschinen aus den Anfängen der Industrialisierung. Einige von ihnen sind zum Teil über 150 Jahre alt. Viele Maschinen wurden von Schweizer Textilmaschinenherstellern wie MF Rüti, Saurer, Martini oder Benninger hergestellt. Einmalig ist auch eine Sammlung von rund 2,5 Millionen Stoffmustern aus den Bereichen Stickerei, Weberei, Stoffdruck, Flechterei, Strickerei und Wirkerei sowie aus der Strohindustrie und anderen Fachgebieten. Sie fanden besonders das Interesse von Frauen. Handgeschriebene Bücher und Protokollen dokumentieren die damaligen Arbeitsbedingungen.
Drei Ausstellungsbereiche
Das Textilmuseum Sorntal im dreistöckigen Gebäude ist in drei Bereiche eingeteilt. Im Erdgeschoss stehen authentische Maschinen und Geräte aus der Frühzeit der Industrialisierung. Im ersten Obergeschoss kann man die ursprüngliche Situation eines Fabriksaals aus dem Jahr 1850 bestaunen. Der historische Raum mit den hölzernen Geräten der damaligen Heimindustrie fasziniert durch eine besondere Atmosphäre. Neben Spinn- und Spulrädern weisen Arbeitsgeräte für die Flachsverarbeitung, die Handstickerei, die Strickerei, den Stoffdruck, die Strohverarbeitung, die Handweberei und die Jacquardweberei auf die Vielfalt der textilen Berufe hin. Stolz ist Gottlob Lutz auch auf das Obergeschoss. „Das Archiv ist mein grosser Schatz, der wichtige Dokumente, Geschäftsbriefe, Geschäftsbücher, eine Unzahl von Stoffmusterbüchern und eine Textilbibliothek enthält“.
Einmalige Gelegenheit
Die heutige Besitzfamilie aus dem deutschen Sindelfingen machte der Gemeinde Niederbüren ein äusserst grosszügiges Angebot. Für die Gemeinde ergibt sich die Chance, dass die Liegenschaft mit 3‘952 m2 Boden und dem Gebäude zum sehr tiefen Kaufpreis von Fr. 430‘000 übernommen werden kann. Diese amtliche Verkehrswertschätzung erfolgte aufgrund der zweckbestimmten Liegenschaftsnutzung. Die aktuelle amtliche Schätzung bestätigt einen Gebäudezeitwert von Fr. 874‘000 und zusammen mit dem Grundstück einen Sachwert von 1,093 Millionen Franken. Der Museums-Kurator Gottlob Lutz wird das gesamte Ausstellungsgut kostenlos zur Verfügung stellen. Gemeindepräsident Niklaus Hollenstein steht mit dem gesamten Gemeinderat hinter dem Entschluss. Ebenso befürworten viele Niederbürerinnen und Niederbürer dieses Vorhaben. So auch Ernst Dezlhofer und Felix Düring: „Wir könnten eine Ablehnung nicht verstehen. Das wäre ein unbegreiflicher Schildbürgerstreich. Allein das Grundstück und die Liegenschaft sind ein Mehrfaches des Kaufpreises wert, ganz zu schweigen vom unschätzbar wertvollen Ausstellungsgut“.