Im Jahr 2009 war es eine Vision. Zehn Jahre später ist die Tobler Zentrumsüberbauung als Plus-Energiebau (PEB), die den Minergie-P-Baustandard erfüllt, Wirklichkeit geworden. Und, sie heimst Auszeichnungen ein, wie den Europäischen Solarpreis 2018 und den Migrosbank Sondersolarpreis für MFH. An einer Informationsveranstaltung des Kantons Thurgau, gemeinsam mit der Solaragentur Schweiz wurden die Gebäude vorgestellt, die mit einer CO2-freien Energieversorgung für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens ein Vorbild und Beispiel darstellen. Eine zirka 1300 Quadratmeter grosse Photovoltaik-Dachanlage generiert knapp 210000 kWh Solarstrom pro Jahr. Knapp 60 Prozent mehr, als der Eigenverbrauch der Tobler Liegenschaft beträgt. Mit dem Energieüberschuss könnten 54 Elektroautos jeweils rund 12000 Kilometer jährlich CO2-frei fahren. SIA-Präsident Stefan Cadosch zeigte sich überzeugt, dass PEB-Bauten in naher Zukunft einen Standard darstellen.
Energiestrategie ist ein Generationenprojekt
Für eine Gemeinde mit 1600 Einwohnern sei ein derartiges Projekt eine grosse Herausforderung und der Erfolg mache ihn sehr stolz, saget Gemeindepräsident Rolf Bosshard. Insgesamt soll die Überbauung sieben Gebäude umfassen, fünf wurden bisher fertiggestellt. Die zuletzt realisierten drei Gebäude bieten 32 Mietwohnungen bei Baukosten in Höhe von insgesamt zwölf Millionen Franken. Dies sei im Vergleich eine relativ niedrige Investitionssumme, sagte Guiseppe Fent, Architekt der Tobler Überbauung. Der Mietpreis liegt zirka 20 Prozent unter dem quartierüblichen Mietzins. Eine konsequent Energie-effiziente Bauweise, unter anderem mit Erdwärme-Sonde-Heizsystem, müsse nicht zwangsläufig teurer sein. Die Planung von PEB-Gebäuden erfordere jedoch spezielles Know-how über das nicht jeder Architekt verfüge. Allein bei den Wärmebrücken im Gebäude liesse sich der Energieverlust um zirka 15 Prozent reduzieren, so Fent. Der Kanton Thurgau fördere energieeffiziente Bauten und schaffe gute Rahmenbedingungen, erklärte FDP-Regierungsrat Walter Schönholzer, Chef DVV. In diesem Sinne sollen im Thurgau alle obligatorischen Module der MuKEn 2014 pragmatisch umgesetzt werde, so der Regierungsrat. Die Inkraftsetzung ist für Mitte 2020 geplant. Flächendeckende Energieberatung in allen Gemeinden mit kostenloser Erstberatung sei eine Massnahme. Gebäude aus den 1950er und 60er Jahren seien eine Herausforderung im Bereich der Energieeffizienz. In Bern hinke die Energiewende derzeit noch hinterher, betonte SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher. Es brauche verstärkt Innovation und Nachhaltigkeit, so wie am Beispiel Tobel. Einig sind sich alle Beteiligten der Informationsveranstaltung: die Energiewende ist ein langer Weg, auch der von Regierungsrat Schönholzer propagierte «Thurgauer Weg». «Wir stehen am Anfang des Weges», meinte Architekt Fent. Erste Etappenziele seien erreicht.
Für die Tobler hat der neue Zentrumskomplex neben aller Energie-Effizienz auch eine wichtige soziale Komponente. Eine Bedingung für den Start des Bauvorhabens sei die Realisierung des Dorfladens gewesen, sagt Roland Kuttruff, ehemaliger Gemeindepräsident und einer der visionären Initiatoren. Der in Eigenregie betriebene Dorfladen habe grosse Bedeutung für das soziale Leben am Ort und stelle mittlerweile einen Treffpunkt für die Einwohner dar.
By Hayo Eckert