Keine Woche vor dem geplanten Wegfall der allermeisten Corona-Beschränkungen, war auch in und um die Tonhalle eine gewisse Erleichterung feststellbar. Zwar trugen alle im Theater Masken und Tonhalle-Leiterin Florence Leonetti musste die Einführung zum Stück im Untergeschoss verlassen, um beim Eingang die Covid-Zertifikate der Besucherinnen und Besucher zu kontrollieren – doch es wehte bereits gewissermassen ein «frischer Wind» durchs Gemäuer. «Noch ist Vorsicht angebracht, aber mit jedem Tag werden Prognosen und Stimmung besser. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem wir alle wieder wie vor der Pandemie unbeschwert ins Theater gehen können», erklärte eine Besucherin. Florence Leonetti gab sich ebenso zuversichtlich – und gewann, neben der Sicherheit, den ungeliebten Kontrollen noch einen weiteren positiven Aspekt ab: «Natürlich werde ich die aufwändigen Eingangskontrollen nicht vermissen, sollten sie bald abgeschafft werden, aber einen Vorteil hat das Prozedere in den letzten zwei Jahren doch gehabt: Ich konnte die Leute sozusagen als Leiterin persönlich willkommen heissen. Diese kleinen Kontakte haben nicht nur mir, sondern auch unseren Gästen sehr gutgetan», erklärte Florence Leonetti, die in diesem Frühjahr ihr zehnjähriges Jubiläum als Tonhalle-Intendantin feiern kann.
Halbnackt Henkersmahlzeit genossen
Wenig zu feiern hatte in der Produktion des Theaters des Kanton Zürich hingegen Dorfrichter Adam (Manuel Herwig), der den wollüstigen Alten, der aus seinem Paradies – dem Amt als Dorfrichter – durch eigene Dummheit und dem Zusammenkommen allerlei unpässlicher Umstände vertrieben wird, trefflich gab. Schon sein Spiel vor dem Spiel hatte es in sich. Wie sich der Mime versehrt und halbnackt vor dem eintrudelnden Publikum hinsetzte und ein gekochtes Ei nach dem anderen pellte und ass war schon allein das Eintrittsgeld wert. Wie er zerschunden und mit klaffender Kopfwunde und Schramme am Bein dasass, war jedem im Saale schon klar, dass er ins Bett gehörte und nicht in leitender Funktion in einem Gerichtssaal. Auch wer das Theaterstück nicht kannte, ahnte sofort: Da sitzt ein Mann auf verlorenem Posten und isst – wenn auch in mehrfacher Ausführung – seine Henkersmahlzeit in Form von Eiern.
Fein gesponnene Intrige
Dass er nicht ungeschoren davonkommt, ist – wie in dieser Inszenierung am Ende klar wird – nicht nur der eigenen Dumm-, bzw. Geilheit auf die Jungfer Eve (gewitzt-kalkulierend, Anja Rüegg) geschuldet, sondern auch der vielfach gesponnen Intrige, die, wie es sich in den letzten Sätzen angedeutet wird, von Gerichtsrat Walter (souverän-berechnend, Pit Arne Pietz), dem aufs Dorfrichteramt schielenden Gerichtsschreiber Licht (schmierig-devot, Michael von Burg) und zu guter Letzt auch Eve selbst gesponnen wird. Dass dabei neben dem zerbrochenen Krug der Marthe Rull (zänkisch, Katharina von Bock) der einzige rechtschaffene Mensch im Gerichtssaal, Eves Verlobter Ruprecht Tümpel (naiv-trotzig, Joachim Aeschimann) auf der Strecke bleibt, muss man halt als Kollateralschaden hinnehmen. Die weiteren Rollen von Ruprechts Vater Veit Tümpel (korrekt-obrigkeitshörig, Stefan Lahr) und der als Zeugin auftretenden Frau Brigitte (denunziantenhaft-rechthaberisch, Miriam Wagner) fügten sich bestens ins sehr homogen agierende Ensemble ein. Dem Publikum gefiel der als ungeschminkte als Realsatire (Regie: Elias Perrig) gegebene Klassiker, gab es doch am Ende viel Applaus und mehrere fiktive Vorhänge.