Die Gesprächsreihe «Persönlich im Hof zu Wil» findet seit 2014 statt, und zwar vier Mal im Jahr. Das Oktobergespräch vom Sonntag war das Dritte in diesem Jahr. Die Gäste von Moderator und Wiler Botschafter Roland P. Poschung waren Barbara Tettenborn, Professorin, Chefärztin für Neurologie am Kantonsspital St. Gallen und Ironwoman, sowie Peter Gross, Autor und emeritierter Professor für Soziologie der Universität St. Gallen.
«Persönlich» wurde es denn auch ziemlich schnell, etwa als Roland Poschung seinen Gast Barbara Tettenborn nach ihrem Alter fragte. Dass er ausgerechnet die Dame am Tisch danach gefragt hat, hat einen Grund: Wüsste man es nicht, würde man nicht ahnen, dass sie die 60 überschritten hat. Denn Barbara Tettenborn ist nicht nur Ärztin, sie ist auch «Ironwoman». Eben erst sei sie aus Hawaii zurückgekehrt, wo sie am «Ironman» in ihrer Kategorie unter den zehn besten Triathletinnen rangiert.
Handball oder Fussball?
Sport war schon in der Kindheit wichtig: «Mein Vater war Profisportler, das hat mich geprägt.» Ihr Vater hatte unter anderem Eishockey und Handball gespielt. Letzteres hat sie selbst ausgeübt und ersteres zu spielen, sei für Mädchen damals kaum möglich gewesen. Heute ist sie überzeugt: «Hätte es damals schon Hockey für Frauen gegeben, ich wäre heute Hockeyspielerin.» «Oder Fussballerin?» «Nein. Als Handballerin bist du keine Fussballerin.»
Der Ironman Hawaii gilt als einer der härtesten Triathlons: 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Velofahren und dann noch 42,195 Kilometer Laufen. Barbara Tettenborn legte die Distanzen in den drei Disziplinen in nur wenig mehr als 13 Stunden zurück. Worüber denkt man während dieser 13 Stunden nach, Frau Tettenborn? «Heute konzentriere ich mich ganz auf die nächste Kurve, die nächste Böe – dadurch bin ich noch etwas besser geworden. Früher habe ich in der Tat Personalgespräche vorbereitet.»
Vom Sterben als Premiere
Sehr persönlich war das Gespräch auch mit Peter Gross. Der emeritierte Professor für Soziologie an der Universität St. Gallen erzählte aus seinen bald 80 Jahren Lebenserfahrung. So etwa vom Verlust seiner ersten Frau, den er in einem Buch verarbeitet hat. Peter Gross ist überzeugt, dass die Erinnerungen an die und die Sehnsucht nach der verstorbenen Person ein «Geschenk an die Hinterbliebenen» seien. Das neuste Buch ist mit seiner jetzigen Freundin Helga Giger entstanden. Es ist ein Mailroman, «die modernere Form des Briefromans», und trägt den Titel: «Ich muss Ihnen schreiben».
Wenn Peter Gross über das Alter und das Älterwerden spricht, so spricht viel Nüchternheit und ein bisschen Schalk aus ihm: «Es gibt verschiedene Definitionen von ‹Altsein›: erstens die Biologische. Zweitens die Gefühlte. Ich ziehe die Dritte vor: Man ist so alt, wie man behandelt wird.» Er merke vor allem daran, wie man ihm gegenübertrete, dass er älter werde. So werde er inzwischen viel häufiger gefragt, ob er denn einen Stuhl brauche, wenn er einen Vortrag halte. «Wenn man mir dereinst einen Liegestuhl hinstellt, dann gehe ich wieder!» Der ehemalige Professor wirkte denn auch alles andere als alt und tattrig, sein Verstand ist scharf, die Argumente sind klar und die Sätze sitzen. So wie dieser, direkt ans Publikum gerichtete: «Sie werden diese Premiere – das Sterben – mitgestalten.» Damit wird er wohl recht behalten, viel anderes bleibt einem ja doch nicht übrig.